Das Narbenbild

Er kannte mich kaum, doch relativ lang
heut hörte er wie ich die Nacht besang
sein Blick fiel verstohlen auf meine Hand
dort prangte ein Wort, das aus Wunden bestand.

Dann fragte er mich, wie käme das her,
dass die Wunde so schön und vollkommen wär.
Ich sagte ich hätt es mir selbst geschrieben
Selbst Stiche in meine Narben getrieben

Dann sah ich Entsetzen in seinem Gesicht
Und meinte nur still, ich bereue es nicht
Ich hab meine Wunde in Stärke verwandelt
Dass sie fortan nicht mehr mein Herz misshandelt.

06.05.2011 16:25

Audiovertonung

Von seelischen Narben und anderen Falten

Wer kennt das nicht? Eigentlich ist man ein positiver Mensch. Man hat Spaß, lebt in der Gegenwart und hat dabei trotzdem genug Vernunft um ab und zu seine Zukunft zu planen. Eigentlich hat man die beste Balance in Sachen Lebenseinstellung zusammengesucht und genießt das schöne Leben.

Wenn nur die Einstellung stimmt, dann würde man über die schlimmsten Dinge hinweg kommen. Manche nennen es „Verarbeiten“ andere „Verdrängen“ und wieder andere „Vergessen“.

Aber was wenn es wiederkommt? Man denkt man hat eine Sache vollkommen überwunden. Immerhin heilt ja die Zeit alle Wunden und jahrelang war die Sache kein Problem mehr. Aber dann kommt es wieder und spukt einem im Kopf herum. Gewaltiger als je zu vor. Als ein pulsierender Vulkan, dessen nächste Explosion zwar sicher ist aber dessen Zeitpunkt ungeklärt bleibt.

Dann versteckt man sich hinter einer Maske, man versteckt sich hinter einer lächelnden Lüge und wird vielleicht sogar ab und zu von seiner eigenen Lüge selbst hereingelegt.

Warum auch nicht? Das soll ja auch der Sinn der Sache sein. Es ist der leichtere Weg um der Situation zu entfliehen und „über Dinge hinweg zu kommen“.

Mit der Zeit lächelt das Gesicht zwar noch, aber Falten sind entstanden; Zeichen der unsichtbaren Anstrengungen, denen der Körper auf Dauer nicht standhalten konnte.

Falten? An sich kein großes Problem.
Kosmetik hilft aber nur bedingt. Irgendwie schafft man es immer wieder die Fältchen zu überdecken oder sich andere Akzente zu setzen um die Blicke abzulenken.
Wenn das Äußere erst einmal stimmt, dann kann man sich von innen regenieren,… denkt man.
Aber die Zeit reicht dafür nur begrenzt aus.

Irgendwann breiten sich die Falten aus. Sie entstehen an Orten, die auf einem realen Gesicht gar nicht entwickelbar wären bis sie irgendwann die ganze Oberfläche eingenommen haben (aber so weit muss man es ja nicht kommen lassen).
Natürlich rede ich hier von den Falten der Seele. Gleichzusetzen wie Narben, Furchen oder andere seelische Wunden. Falten klingen halt für mich neutraler…unparteiischer.

Und irgendwann schaut man in sich hinein und erkennt sich nicht wieder. Das Gesicht hat sich vollkommen verändert. Das muss nicht zwingendermaßen negativ sein. Es hat sich einfach nur verändert. Trotzdem mag es einem doch schockierend vorkommen, wenn man sich als junger Mensch nach einer kurzen Zeit nicht mehr wiedererkennt.

Ein von der Zeit gezeichnetes Gesicht hat auch seine Reize… denn wie bekannt ist, erzählt jede Narbe eine Geschichte.

Ich bin stolz auf meine Falten aber die dunklen pulsierenden Narben wage ich nicht anzurühren, denn ich werde ihnen soweit es in meiner Macht steht nicht die Gelegenheit geben wieder aufzuplatzen.
Weil jeder vergangene Tag ein Sieg gegen meine explosiven Narben ist und ich mit jedem Sieg selbstbewusster werde.
Und wenn sie das nächste Mal aufplatzen werde ich deutlich mehr Siegeserfahrung haben … und sie von Neuem besiegen.